Schön gesund? Vom irreführenden Ideal der Attraktivität

Die Schön­heit der Din­ge lebt in der See­le des­sen, der sie betrachtet.

David Hyme

Wer wünscht sie sich nicht – die Schön­heit, die Attrak­ti­vi­tät, das prall gesun­de Aus­se­hen? Aber ist, was wir als schön emp­fin­den auch wirk­lich gesund? Nicht unbedingt.

Anhand der Patho­phy­sio­gno­mik wür­de ich ger­ne einen Ein­druck davon ver­mit­teln, war­um unser Blick so man­ches mal ver­stellt ist und uns in man­cher­lei Hin­sicht etwas für schön ver­kauft wird, was im Grun­de ein Anzei­chen von Krank­heit ist.

Die Annah­me, dass Krank­heit die Aus­drucks­form und das äuße­re Erschei­nungs­bild eines Men­schen ver­än­dert, haben bereits die alten Mei­ster der Medi­zin wie u. a. Hip­po­kra­tes (460–370 v.Chr.), Para­cel­sus (1493–1541), Chri­stoph Wil­helm Hufe­land (1762–1836) und Wil­helm Hein­rich Schüss­ler (1821–1898) beschäftigt. 

So wie wir zum Bei­spiel von der Hal­tung eines Men­schen gewis­se Rück­schlüs­se auf even­tu­ell vor­lie­gen­de Pro­ble­me im Ske­lett- und Mus­kel­ap­pa­rat zie­hen kön­nen, so spie­gelt auch die Gesichts­haut als Ent­gif­tungs­or­gan bereits recht früh Krank­heits­vor­gän­ge, die unter Umstän­den noch gar nicht (als Sym­ptom) spür­bar sind. Die­se Erkennt­nis sowie die auf Erfah­rung beru­hen­de Theo­rie, dass gewis­se Gesichts­tei­le mit bestimm­ten inne­ren Kör­per­or­ga­nen kor­re­spon­die­ren, liegt der Patho­phy­sio­gno­mik zugrunde(von gr. Pathos = Lei­den, Schmerz und gr. phy­sio­gno­mia = Leh­re vom Urtei­len nach der Erschei­nung der Natur, des Kör­per­baus, der Gesichtszüge).

Auf der Basis bereits vor­her gesam­mel­ter Erkennt­nis­se hat Nata­le Fer­ro­n­a­to über einen Zeit­raum von 55 Jah­ren For­schun­gen zur Patho­phy­sio­gno­mik durch­ge­führt und in ein in die­ser Form zuvor nicht ver­füg­ba­res System zusam­men gefasst. Die­se Leh­re bil­det die Basis der fol­gen­den Betrachtungen.

Vor allem Frau­en wer­den heut­zu­ta­ge über­schwemmt mit der Dar­stel­lung der attrak­ti­ven Frau und Tips wie man die­sem Ide­al gerecht wer­den kann. Man blickt auf Per­so­nen des öffent­li­chen Lebens, (Schau­spie­le­rin­nen, Sän­ge­rin­nen, Models und so wei­ter) und stellt die­se als strah­len­de, benei­dens­wer­te Iko­nen vita­ler Attrak­ti­vi­tät dar. Die dar­aus unbe­wußt oft gezo­ge­ne Schluß­fol­ge­rung, dass die­ses Ide­al nicht nur schön, son­dern auch gesund ist, ist lei­der nur zu gerin­gen Tei­len richtig.

So wer­den denn durch geschickt auf­ge­tra­ge­nes Rouge gerö­te­te Wan­gen als Zei­chen der Strah­lung und Fri­sche ange­prie­sen. Gemäß der Patho­phy­sio­gno­mik sind jedoch gerö­te­te Wan­gen in die­ser Form ent­we­der ein Zei­chen einer Herz­pro­ble­ma­tik (z.B. Mit­ral­steno­se, eines Herz­feh­lers), oder einer vor­lie­gen­den Eiweiß­stoff­wech­sel­stö­rung. Gesun­de Haut zeigt eine gleich­mä­ßi­ge Fär­bung auf.

Der Mund zeigt in der Patho­phy­sio­gno­mik den Gesund­heits­zu­stand des Dar­mes auf. Laut gän­gi­gem Schön­heits­ide­al soll­te er wenn mög­lich eher üppig, prall, rot, mit schar­fen Kon­tu­ren und glän­zen­den Lip­pen sein. Zwar soll­ten die Lip­pen idea­ler­wei­se ein kla­res Rot auf­wei­sen und das Lip­pen­rot klar gegen­über der Gesichts­haut abge­grenzt sein. Aber befeuch­te­tes Lip­pen­rot glänzt nor­ma­ler­wei­se nicht. Glanz weist auf Stau­un­gen inner­halb der Darm­pas­sa­ge hin. Erscheint das Lip­pen­rot wie blass getönt – wie es zur Zeit als „Nude-Look“ sehr gefragt ist – weist dies auf eine ver­min­der­te Fähig­keit der Schleim­haut hin, Nah­rungs­be­stand­tei­le voll­stän­dig resor­bie­ren zu kön­nen. Was wie­der­um zu einem Man­gel im Kör­per führt.

Ist die Unter­lip­pe prall gespannt, was vie­le Frau­en anstre­ben – wenn nicht auf natür­li­chem Wege – dann zwi­schen­zeit­lich evtl. durch eine künst­li­che Auf­pol­ste­rung – dann weist das auf eine Dys­bio­se hin, das heißt eine aus der Balan­ce gera­te­ne Zusam­men­set­zung der Darmflora.

Erscheint der Bereich ober- oder unter­halb der Lip­pen wul­stig und/oder mit einem schma­len wei­ßem Rand, was den Lip­pen ein vol­le­res Aus­se­hen ver­leiht, ist das ein Zei­chen für einen Stau inner­halb der Darm­ge­fä­ße, oder einer Ver­min­de­rung der Trans­port­fä­hig­keit, was gesund­heit­lich schlim­me Ver­dau­ungs­pro­ble­me ver­ur­sa­chen kann. Die­ses Anzei­chen habe ich bereits häu­fig in Wer­be­fo­tos beob­ach­tet. Und das obwohl sol­che Wer­be­fo­tos prin­zi­pi­ell retou­chiert sind! Wenn man ver­steht, dass die­se Wer­be­trä­ge­rin­nen ver­mut­lich unter Mete­o­ris­mus, Ver­stop­fung (Obsti­pa­ti­on) und fau­li­gen Gärungs­pro­zes­sen im Darm lei­den, erschei­nen sie im Nu etwas weni­ger beneidenswert.

Die Augen wer­den auch als Spie­gel der See­le bezeich­net, und als all­ge­mein schön gel­ten gro­ße strah­len­de Augen mit lan­gen Wim­pern. Ein bekann­ter Kos­me­tik­trick, um sei­ne Augen grö­ßer erschei­nen zu las­sen, ist es wei­ßen Kajal­stift ins Augen­in­nen­lid auf­zu­tra­gen. Äußer­lich betrach­tet funk­tio­niert das, da es das Auge optisch ver­grö­ßert. Was jedoch die Gesund­heit angeht, ist ein der­art blas­ses Innen­lid ein Zei­chen für eine Anämie, die soge­nann­te Blutarmut.

Ein wei­te­res Zei­chen von Attrak­ti­vi­tät, das tat­säch­lich an einer Mehr­zahl der ‘Cele­bri­ties’ zu beob­ach­ten ist, ist das Nicht­vor­han­den­sein einer Naso­la­bi­al­fal­te. Das ist die durch­ge­hen­de, deut­li­che Fal­te, die seit­lich der Nasen­flü­gel beginnt und bis kurz vor die Mund­win­kel reicht. Kei­ne sicht­ba­re Naso­la­bi­al­fal­te zu haben soll ein jugend­lich straf­fes Aus­se­hen ver­lei­hen und erscheint damit erstre­bens­wert. Tat­säch­lich ver­hält es sich aber so, dass bei Men­schen mit einem gesun­den Her­zen eine kla­re, deut­lich durch­ge­zo­ge­ne Naso­la­bi­al­fal­te vor­han­den ist, die im Quer­schnitt die Form eines leicht geschwun­ge­nen, wei­ten „V“ auf­weist. Ist die Naso­la­bi­al­fal­te sehr flach ist das ein Hin­weis auf Stress, Anspan­nung, Herz­schwä­che oder man­geln­de Durch­blu­tung. Je gespann­ter das Gewe­be im Bereich der – eher flach aus­ge­bil­de­ten – Herz­fal­te ist, desto ange­spann­ter ist der Zustand des Herzmuskels.

Man könn­te die­se Liste der als schön ver­kauf­ten Äußer­lich­kei­ten, die im kla­ren Wider­spruch zu einem gesun­den Aus­se­hen ste­hen bei­na­he belie­big fort­füh­ren. Die Medi­en schei­nen sehr gute Arbeit zu lei­sten, wenn es dar­um geht uns ein irre­füh­ren­des Schön­heits­ide­al ein­zu­trich­tern, denn im Grun­de wird ein gesun­der Mensch eine vita­le­re Aus­strah­lungs­kraft haben als einer, des­sen Krank­heits­an­zei­chen ihm bereits ins Gesicht geschrie­ben ste­hen. Aber man­ches Mal sind wir bereits so mit die­sem „ver­fälsch­ten“ Ide­al geimpft, dass unse­re Wahr­neh­mungs­kraft dies­be­züg­lich getrübt ist.

Den­noch wird man mei­ner Mei­nung nach als guter Beob­ach­ter vie­len Men­schen begeg­nen, die nicht im her­kömm­li­chen Sin­ne schön sind, und die man trotz­dem als strah­lend, vital und sehr attrak­tiv emp­fin­det, und die dadurch die Blicke auf sich lenken.

Even­tu­ell ist die Zeit reif, dass wir unser eige­nes Schön­heits­ide­al über­prü­fen und die Wich­tig­keit man­cher Äußer­lich­kei­ten neu abwä­gen – weg von der angeb­li­chen Schön­heit und mehr hin zur vita­len Gesund­heit, die einen auch im Alter noch nüt­zen wird und viel mehr dazu bei­tra­gen kann, dass wir uns in unse­rer Haut wohl­füh­len und mit Elan durchs Leben schreiten.

Quel­le:

  1. Duden – Das Herkunftswörterbuch
  2. „Pra­xis Patho­phy­sio­gno­mik“, Nata­le Ferronato

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